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Hauszeitschrift

Lebensbilder Teil 4

22. Januar 2024

(„Bomben, Seide & Juwelen“ – Auszug aus der Biografie von Hildegard Bremer)

Geboren und aufgewachsen bin ich in Köln-Sülz, in der Nürburgstraße, nicht weit vom schönen Beethovenpark, wo wir uns oft im Sommer herumtrieben und im Winter den kleinen Hügel herunter rodelten. (…) 

Ich ging in die Euskirchener Straße zur Schule, und auf dem Pausenhof mussten wir Kinder vor jedem Unterricht erstmal den Hitlergruß machen, bis einem fast der Arm abfiel. Gegenüber der Nikolauskirche in der Berrenrather Straße war ein Spielzeuggeschäft, das einem jüdischen Besitzer gehörte. In der Reichskristallnacht hat man dort sämtliche Scheiben eingeschlagen. Ich weiß noch, wie fassungslos ich als Kind darüber war, allerdings auch weil sich meine Puppe dort in Reparatur befand. An der Ecke Neuenhöfer Allee/Euskirchener Straße wohnte eine gute Spielkameradin von mir namens Esther. Eines Tages war sie spurlos mit ihren Eltern verschwunden. Und in der Straßenbahn sollte mal eine alte Frau mit gelbem Stern für mich aufstehen, weil es der Schaffner von ihr verlangte. Meine Mutter hat mich dann auf den Schoß genommen und gesagt, dass die Dame ruhig auf ihrem Platz sitzen bleiben könne. Meine Eltern waren beide katholisch geprägt und hatten mit den Nazis nichts am Hut. 

Meine Mutter war schon seit ihrer Geburt recht schwerhörig, deswegen hatte ich während der Bombennächte, die in Köln zunehmend heftiger wurden, große Angst, dass sie die Alarmsirenen verpasst und wir nicht rechtzeitig in den rettenden Keller oder den Schutzbunker beim Waisenhaus in der Münstereifeler Straße kommen. Oft lag ich deshalb die halbe Nacht wach und bekam Baldrian zur Beruhigung. (…)

Als es immer schlimmer mit den Angriffen wurde, sind wir zu Verwandten nach Geistingen bei Hennef geflüchtet. (…) Als die Flieger auch über Hennef mehr und mehr Bomben abwarfen, sind wir zu einem Onkel nach Grevenbrück ins Sauerland gefahren, wo wir in seinem Hotel notdürftig unterkamen. Dort waren wir sicher, und ich bin wie mein Bruder im benachbarten Altenhundem aufs Gymnasium gegangen, habe Tanzen gelernt und Freundschaften geknüpft. Meine jüngere Schwester blieb bei der Oma, mein Vater war weit weg in Chemnitz.

Als mein Vater eine gute Stelle bei einem Pharmazie-Unternehmen in Bonn bekam, ist die ganze Familie 1947 vom Sauerland nach Bonn gezogen. Für mich bedeutete das schon wieder einen Schulwechsel und zwar in die Liebfrauenschule, ein Lyzeum für Mädchen. Krankheiten wie Typhus oder Diphterie hatten mich allerdings viele Monate zurückgeworfen, sodass es mir immer schwerer fiel, den Anschluss zu halten. (…)

So ging ich mit 17 von der Schule ab und begann eine Lehre als Juwelierfachverkäuferin. (…) Im Anschluss habe ich mich beim großen Bonner Juwelier Dix beworben. Das war damals ein eleganter Laden, der auch eine Filiale in Köln hatte. (…)Nicht selten war Konrad Adenauer als Kunde dort, oft musste ich auch Hausbesuche machen, um allerlei Schmuckmodelle bei den hohen Herren und Damen vorzuführen. Wenn der Bundeskanzler vorgefahren ist, wurde der Laden immer weiträumig von Leibwächtern abgeriegelt und mein armer Verlobter musste draußen mit großem Abstand ausharren, obwohl er mich bloß mal schnell von der Arbeit abholen wollte. (…) 

Nach ein paar Jahren Verlobungszeit haben wir 1956 geheiratet. 1957 wurde meine erste Tochter geboren, innerhalb der nächsten Jahre kamen mein Sohn und meine jüngste Tochter dazu. (…) Die Tatsache, dass mein Mann Lehrer war und sich nach Schulschluss auch öfter um die Kinder kümmern konnte, hat mir den Rücken freigehalten für zahlreiche Hobbys. (…) Auch heute noch finde ich im Paul Schneider Haus immer irgendwas zum Basteln oder zu tun.

Eine andere große Leidenschaft von mir und der Familie war das Reisen. (…) Das italienische „dolce vita“ hat mich sofort begeistert. Egal, ob es sich um Küche, Land und Leute, Mode oder die Sprache handelte, ich habe alles wie ein Schwamm aufgesogen. (…) Als echte Rheinländerin habe ich natürlich liebend gerne Karneval gefeiert, das mache ich heute noch mit (…) Mit meinen drei Kindern, die mittlerweile auch schon Kinder und Kindeskinder haben, habe ich regelmäßig Kontakt. Mit den Enkeln und Urenkeln schreibe ich fleißig SMS oder telefoniere.