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Hauszeitschrift

Lebensbilder Teil 5

02. April 2024

(„Kölner Schulen & italienische Wurzeln“ – Auszug aus der Biografie von Eugenia Corrado)

Meine Mutter, die aus Kalabrien stammt, war eine sehr schlanke und besonders für süditalienische Verhältnisse auch große Frau. Von ihren Geschwistern war sie bestimmt die schönste. Den Kinderwagen mit ihrem einzigen Kind, also mit mir, schiebt sie hier wohl durch Bern, wo ich geboren und aufgewachsen bin. Mein Vater war studierter Jurist und bekam in der Schweizer Hauptstadt seine erste Stelle als Angestellter in der italienischen Botschaft. (…) Wenn ich das Foto heute so sehe, fällt mir ein, dass ich meine Mama nachher fast ähnlich durch die Gegend geschoben habe, wie sie mich als Kind. Allerdings im Rollstuhl. Nachdem mein Vater in Rom gestorben war, habe ich meine alte Mutter nach Köln geholt, wo sie ihre letzten Jahre bei mir und in einem Seniorenheim verbracht hat. (…)

Als man sich 1949 etwas überraschend für Bonn als Hauptstadt entschied, wurde mein Vater dorthin geschickt, genauer gesagt nach Köln, wo damals ein neues Konsulat entstanden ist, in dem auch teilweise Mitarbeiter der italienischen Botschaft angestellt waren. Meine Mutter blieb unterdessen noch eine Zeit lang in Bern, ich wurde in ein Schweizer Internat gegeben, das unter Leitung von katholischen Nonnen stand. In dem Internat ging es sehr streng zu, man musste viel beten und bekam eher wenig zu essen. Außerdem hat man den Kindern oft Angst eingejagt mit schlimmen Geschichten von der Hölle, in die man ganz sicher käme, wenn man sich nicht christlich genug verhalte. Geschlagen haben sie uns zwar nicht, das hätten sie sich auch wohl nicht leisten können, denn es lebten viele Kinder von reichen Eltern dort, aber man musste mit anderen bösen Strafen rechnen, wenn man ein bisschen frech war. (…)

Streng war es auch in dem Internat in Rösrath, in das ich dann 1951 gewechselt bin, nachdem meine Eltern nach Köln gezogen sind. Allerdings herrschte dort eher militärische Strenge. Ich kam in ein Gymnasium, das vor allem für belgische Militärangehörige bestimmt war, von denen es nach dem zweiten Weltkrieg noch über Jahrzehnte sehr viele in Nordrhein-Westfalen gab. Die Schule war in einem ehemaligen Schloss untergebracht. (…) Es entwickelten sich auch Freundschaften, aber nach dem Abitur sind fast alle Schüler aus diesem Internat wieder zurück nach Belgien gegangen, um dort eine Berufslaufbahn oder ein Studium zu beginnen. Das kam für mich allerdings nicht in Frage. Also habe ich mich später in Köln für das Studium der Volkswirtschaft eingeschrieben.(…)

Als es so nach und nach ein bisschen besser wurde, habe ich auch schöne lange Reisen mit meinen Eltern machen können. Ich erinnere mich noch, wie wir an der französischen und italienischen Riviera unterwegs waren. Zwischendurch sind wir im schicken Monte Carlo gelandet, wo dieses Bild mit meiner Mutter auf einer Parkbank entstanden ist. (…) Ich habe die kostbare Zeit mit meinen Eltern in Bella Italia in vollen Zügen genossen und zurück in Köln musste ich mich erstmal langsam wieder an das strenge Schulleben gewöhnen.

Als wir damals nach Köln zogen, sah man noch überall die gewaltigen Zerstörungen durch den Krieg. Wir wohnten am Zülpicher Platz nahe der Herz-Jesu-Kirche, die man seinerzeit gerade wie so viele Kölner Kirchen so nach und nach renovierte. Es waren noch dermaßen viele Lücken in der Stadt, dass wir von dort aus einen freien Blick auf den Dom hatten, der den Krieg wie durch ein Wunder überleben konnte. (…) Ich erinnere mich auch noch, wie wenig Autos damals durch die Straßen fuhren. Ampeln brauchte man zu dieser Zeit noch keine. Ich weiß noch, wie Schutzmänner, zum Beispiel am Rudolfplatz, auf einer Art Hochsitz saßen und von dort aus den Verkehr geregelt haben. (…)

An der Universität riet man mir irgendwann, lieber auf die Pädagogische Hochschule zu wechseln, um mich dort zum Lehramt ausbilden zu lassen. Mit meinen Italienisch- Kenntnissen hätte ich sicher beste Chancen, nach dem Studium sofort in den Kölner Schulen eingestellt zu werden, weil gerade die erste große Welle von italienischen Gastarbeitern in Deutschland angekommen war. (…) Außerdem fand ich nach Ende des Lehramt-Studiums direkt eine Stelle in der Kölner Grundschule am Zugweg. (…) Schade war allerdings, dass meine Eltern nicht mehr in der Nähe waren, denn inzwischen war mein Vater wieder von Köln nach Rom ins dortige Auslandsamt beordert worden, wohin er im diplomatischen Dienst immer mal wieder zurück musste, um dann irgendwann wieder ganz woandershin geschickt zu werden. So waren die Regeln. Von Rom aus wurde mein Vater zuerst nach Washington, später nach Kairo und schließlich nach Ankara in die jeweilige Botschaft geschickt, bevor es als letzte berufliche Station wieder nach Rom ging. Immer wenn es mir zeitlich möglich war, vor allem in den Semester- bzw. Schulferien habe ich meine Eltern besucht. (…)

Anfangs habe ich tatsächlich noch viele Kinder von italienischen Familien betreut und ihnen die deutsche Sprache beigebracht, aber so nach und nach wurden es immer weniger und ich hatte es verstärkt mit türkischen Schülern zu tun, denen man die deutsche Sprache nahebringen sollte. Dafür habe ich zusätzlich auch noch einen Kurs in Türkisch abgeschlossen. (…) Es hat sich so einiges verändert in den Schulen. Früher waren viele Schüler und deren Eltern auch noch damit zufrieden, einen Haupt- oder Realschulabschluss zu machen, um dann eine solide Handwerkslehre zu beginnen. Irgendwann waren mehr und mehr Eltern aber nicht mehr einverstanden und verlangten von mir oft, ihren Kindern eine Empfehlung fürs Gymnasium zu geben, obwohl sie dort eigentlich nicht hingehörten. (…)

Nach meiner Pensionierung habe ich mich als Gasthörerin für Alte Geschichte, Judaistik und Italienisch an der Kölner Universität eingeschrieben. (…) Irgendwann wurde es mir aber doch zu beschwerlich, als Rentnerin allein in der dritten Etage ohne Aufzug zu leben. Außerdem bekam ich zunehmend gesundheitliche Probleme, die mich schließlich veranlasst haben, ins Paul Schneider Haus nach Braunsfeld zu ziehen. (…) Es wäre schön, wenn ich noch eine kleine Aufgabe hätte. Vielleicht ja zum Beispiel etwas Italienisch unterrichten.