Template: single.php
Hauszeitschrift

Lebensbilder FKH Teil 5

13. Januar 2025

(„Campingplätze und Delphine“ – Auszug aus der Biografie von Stefanie Kündgen)

Mein Mann und ich sind immer gerne auf Campingplätze gefahren. Das war für uns die reinste Erholung. Irgendwann hatten wir mal einen Freund auf dem Campingplatz bei Lohmar besucht, und es hat uns auf Anhieb super gefallen. Als dann die Gelegenheit kam, dort einen festen Stellplatz-Wohnwagen zu bekommen, haben wir zugeschlagen. Von da an haben wir unseren Urlaub hauptsächlich bei Lohmar verbracht, aber nicht nur im Urlaub, sondern auch an vielen Wochenenden waren wir dort. Weil wir im Wohnwagen eine Gas-Heizung hatten, konnten wir sogar im Winter dort sein. Es gab im Wagen auch eine kleine Küche, aber wegen der Gerüche habe ich meistens draußen im Vorzelt gekocht oder mein Mann hat was gegrillt. Besonders herrlich war’s im Sommer, wenn man seine Beine in die Agger stellen konnte, die direkt am Platz vorbeifließt, und mit einer Flasche Bier in der Hand die Ruhe und die zwitschernden Vögel genossen hat. Nachher hatten wir sogar einen kleinen Swimming-Pool, in dem man sich bei heißem Wetter klasse abkühlen konnte.

Wie ein zweites Zuhause war es dort, und so nach und nach hat man sich auch mit den anderen Dauercampern angefreundet – jedenfalls mit den meisten. Irgendwann kennt man schließlich seine Pappenheimer. Viel gefeiert wurde natürlich auch und wenn man mal was brauchte, hat man sich gegenseitig geholfen. Wir hatten dort ein 250 qm großes Grundstück, auf dem auch noch ein alter Schuppen mit Toilette und Stauraum stand: Auf dem Foto müsste im Hintergrund an der Tür mein Sohn Fabian stehen, der anfangs auch noch gerne in unserem Wagen mit dabei war – später mit 13, 14 Jahren hat er seinen eigenen kleinen Wohnwagen in Lohmar bekommen. Aber irgendwann machen die Kinder dann halt ihr eigenes Ding. Fabian, der 1999 geboren ist, hat übrigens nachdem er seine Bäckerlehre abgebrochen hat, eine Ausbildung als Koch angefangen und arbeitet heute auch in diesem Beruf.

Vor dem festen Platz bei Lohmar waren wir auch schon oft im Campingurlaub, anfangs noch mit dem Zelt, später dann mit dem eigenen Wohnwagen. Durch meinen Schlaganfall 2019, nach dem ich elf Tage im Koma lag, ist leider vieles aus meinem Gedächtnis gelöscht worden. Aber ich kann mich noch an Urlaube in Holland, Italien oder Kroatien erinnern. Gefahren ist dann immer mein Mann, ich selber habe keinen Führerschein. Während ich in Wünneberg im Sauerland in der Reha war, gab es an der Agger wie an so vielen anderen Flüssen auch im Juli 2021 ein heftiges Hochwasser. Ein Bekannter vom Campingplatz Lohmar rief meinen Mann an, dass alle Wohnwagen unter Wasser ständen und dass man sie wohl nur noch verschrotten könne. Das war es dann nach 13 Jahren mit unserem zweiten Zuhause … (…)

Geboren bin ich zwar 1982 in Bonn, aber die längste Zeit meines Lebens habe ich in Wesseling gewohnt, dort wuchs ich mit meinen drei älteren Schwestern Patricia, Tanja und Marion auf, ging dort zur Schule und feierte dort Karneval. Ich habe mich immer gerne verkleidet, mir teilweise die Kostüme auch selbst gemacht, bin mit meiner Freundin an Weiberfastnacht um die Häuser gezogen, an Karneval-Samstag mit dem Sohn zum Schülerzug gegangen und sonntags dann beim großen Zug dabei gewesen.

Nach der Schule habe ich viele Jahre als Reinigungskraft von 8 bis 12 Uhr in einem Altenheim in Michaelshoven gearbeitet, da konnte man gut in zehn Minuten mit der Linie 16 hinkommen. Für zwei Jahre habe ich auch mal in Berzdorf gearbeitet. Im Sommer konnte ich da mit dem Fahrrad hinfahren, es war immer herrlich nach der Arbeit am Erholungsgebiet im Entenfang vorbei zu radeln, bevor ich mich dann um die Hausarbeit und das Essen für Sohn und Mann kümmern musste. (…)

Wie gesagt, wir waren immer gerne auf Achse. Und neben längeren Camping-Urlauben haben wir auch schon mal kürzere Städtetouren gemacht, zum Beispiel nach London, nach Salzburg, nach Emden oder eben wie hier nach Paris, wo man auch schnell mal mit dem Thalys hinfahren kann. Im Hintergrund erkennt man noch den Eiffelturm, wo ich mich wegen meiner Höhenangst nur ganz vorsichtig raufgetraut und ans Geländer gekrallt habe. Mein Mann, der mir diese Kurzreise zu Weihnachten schenkte, hatte als Dachdecker damit natürlich überhaupt keine Probleme. Mein Mann ist übrigens Ehemann Nr. 2, und wenn mir mal früher jemand gesagt hätte, dass wir heiraten, hätte ich ihm bestimmt einen Vogel gezeigt. Er war lustigerweise bei der ersten Hochzeit noch als Gast dabei und wohnte sogar im gleichen Haus wie ich. Nach der Scheidung von meinem ersten Mann, sind wir uns dann aber allmählich näher gekommen. Mein Sohn Fabian nennt ihn übrigens Papa, auch wenn er nicht sein Erzeuger war. Geheiratet haben wir an einem 11.11., damit wir auch ein Datum haben, das wir nie vergessen können.

Wir haben viele tolle Urlaube gemacht. Zum Beispiel in Ägypten am Roten Meer, wo wir beide zum Beispiel getaucht haben, auf Kamelen geritten und zur Freude meines Mannes mit einem Quad gefahren sind. Oder auch in Holland, wo wir auf einem Campingplatz mit riesigem Spielplatz waren, auf dem sich mein Sohn stundenlang beschäftigen konnte. Der Urlaub in Kroatien war ganz besonders klasse. Und zwar nicht nur, weil wir dort auf einem wunderbaren Campingplatz direkt am Mittelmeer waren, sondern auch, weil wir bei einem Bootsausflug ganz viele Delphine sahen, die lange neben uns her geschwommen und manchmal sogar hochgesprungen sind.

Delphine sind meine absoluten Lieblingstiere, sie sind schön und intelligent. Auf unserem Campingplatz in Lohmar hat mir mal jemand eine Delphin-Flagge geschenkt, die ich auch mit großer Begeisterung vor unserem Wagen aufgehängt habe. Wenn ich mich nochmal tätowieren lassen sollte, dann würde ich mich wohl für Delphine entscheiden. Supergerne würde ich auch mal eine Delphin-Therapie ausprobieren. (…)

Gerne bin ich mit meinen Freundinnen in Wesseling auch ausgegangen, wenn wir dazu Gelegenheit hatten. Zum Beispiel in die Kneipe „Der Backes“, wo damals noch fast alle Gäste geraucht haben. Ich war da auch keine Ausnahme und habe mir das Rauchen erst nach dem Schlaganfall im Krankenhaus abgewöhnt. Meine Freundin Monika war übrigens auch die Erste, die gemerkt hat, dass mit mir was nicht stimmte. Ich selber habe den Schlaganfall total unterschätzt und dachte, dass ich einfach bloß eine Erkältung mit starken Kopfschmerzen hätte. Obwohl meine Freundin immer wieder sagte, „Steffi, du redest aber komisch!“, habe ich das noch alles total auf die leichte Schulter genommen und gedacht, ich müsste nur mal was essen und ein bisschen ausruhen, dann wird das bestimmt schon wieder besser. Aber abends wurde es dann eher noch schlimmer statt besser, mein Bein hat extrem gezittert, wurde immer wackeliger und schließlich bin ich ins Koma gefallen. Meine Freundin Karola war es dann, die den Notarzt gerufen hat. Dafür bin ich ihr heute noch dankbar – leider ist sie vor zwei Jahren an einer schweren Diabetes-Erkrankung gestorben.

Elf Tage lag ich insgesamt im Koma. Im Nachhinein habe ich erfahren, dass man im Krankenhaus schon kurz davor war, die Hoffnung aufzugeben. Als ich dann aber plötzlich zur Überraschung des Personals wieder aufgewacht bin, stand mein Mann mit zwei Bekannten vor mir und hat mir erklärt, was mit mir passiert ist. Durch den Schlaganfall war meine linke Seite gelähmt und wegen der künstlichen Beatmung, die im Koma nötig war, hatte man einen Luftröhrenschnitt gemacht und ein Tracheosthoma eingesetzt. Zwei Jahre lang habe ich eine Kanüle im Hals gehabt. Zum Glück im Unglück waren drei Finger an der rechten Hand noch beweglich, sodass ich immerhin mein Smartphone und die Fernbedienung benutzen kann. Auch essen, trinken und Rollstuhl fahren kann ich damit relativ gut.

Nach dem Krankenhaus bin ich dann für zwei Jahre ins Haus Steinacker nach Bonn-Beuel gekommen, so eine Art ambulante Wohngemeinschaft für sehr pflegebedürftige Menschen. Dort habe ich auch ein paarmal in der Woche Sprachtherapie bekommen. Das Loch im Hals musste ich mir beim Reden immer zuhalten und gleichzeitig mit dem Rollstuhl zu fahren, konnte man dann leider vergessen. Vieles musste ich wieder ganz langsam lernen, nicht nur das Sprechen, sondern auch zum Beispiel ein Butterbrot zu schmieren oder den Henkel von einer Tasse zu greifen, anfangs konnte ich bloß mit Strohhalm trinken.

Im Anschluss an das Haus Steinacker gab es eine Reha in Wünnenberg im Sauerland. Dort hat man mir auch das Tracheosthoma gezogen. Das Loch im Hals hat man mir dann später im St. Elisabeth-Krankenhaus in Hohenlind zugenäht. In Wünnenberg bin ich auch viel am Gehwagen gelaufen, um die Muskulatur wieder aufzubauen. Ich bin dort auch tatsächlich viel beweglicher geworden. Nur schade, dass in der Zeit im Sauerland wegen der Corona-Geschichte der Besuch so stark eingeschränkt war. Danach bin ich über die Vermittlung meiner Schwester ins Frida Kahlo Haus gekommen. Seit September 2021 lebe ich jetzt hier.

Weil meine Nichten wissen, wie sehr ich Tiere liebe, haben sie mir mal einen Tag im Kölner Zoo geschenkt. Das war eine tolle Idee! Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie heiß es an dem Sommertag war … es war sogar so heiß, dass sich der Tiger nicht draußen im Gehege blicken ließ. Aber auch ohne Tiger war es eine schöne Abwechslung, denn es gab ja noch viele andere interessante Tiere wie die Erdmännchen, die Seelöwen, die Giraffen, die Pinguine oder die hübschen Flamingos. Auf dem Bild sind übrigens noch längst nicht alle Nichten versammelt, die es gibt. Denn vor allem dank meiner Schwester Marion habe ich insgesamt elf davon. Daneben gibt es auch noch Neffen, Großnichten und Enkel. Da ist es wirklich nicht leicht, immer an alle Geburtstage zu denken. (…)

Ich bin immer froh, wenn es mal Gelegenheiten gibt, aus dem Haus rauszukommen. Auch wenn ich mich hier sehr gut aufgehoben fühle, fällt einem doch manchmal die Decke auf dem Kopf. Ich würde jedenfalls gerne noch weitere Konzerte oder Musicals besuchen wie zum Beispiel „Holiday on Ice“. Gegen vom Haus organisierte Ausflüge wie im letzten Sommer nach Koblenz hätte ich auch nichts einzuwenden. Ganz besonders freue ich mich über die einwöchige Reise nach Mallorca, die hier vom Haus aus mit einer kleinen Gruppe organisiert wird. Endlich mal wieder Sonne, Strand und Meer … und wer weiß, vielleicht sogar Delphine …

Der vollständige Beitrag – und noch weitere lesenswerte Biografien der Bewohnerinnen und Bewohner – im Band „Lebensbilder“ aus dem Frida Kahlo Haus. Das Buch ist – gegen eine Spende in beliebiger Höhe für eine Rollstuhl-Rikscha – erhältlich unter bzw. Tel. 0221-4985-220.