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Gesellschaft

Interview mit Hospizdienst

29. Dezember 2023

 

„Auf die innere Haltung kommt es an!“ – Betreuungsassistentin Yvonn Krebs im Gespräch mit den Koordinatorinnen des Malteser Hospizdienstes  sinnan, Monika Schwertner (links) und Sandra Winterling

Die bestehende Zusammenarbeit zwischen dem Paul Schneider Haus und sinnan soll sich in Zukunft intensivieren. Um einem breiteren Publikum das umfangreiche Angebot des Hospizdienstes vorzustellen, kam es zu dem Interview. Nach einer herzlichen Begrüßung nehmen sich die beiden Koordinatorinnen des Malteser Hospizdienstes sinnan, Monika Schwertner als Ansprechpartnerin u.a. für Altenpflegeeinrichtungen, und Sandra Winterling als Ansprechpartnerin für die Trauerbegleitung Zeit, um die zahlreichen Fragen zu beantworten.

Yvonn Krebs: Frau Schwertner, was heißt eigentlich „sinnan“, seit wann gibt es den Hospizdienst „sinnan“ und was bietet der Hospizdienst im Einzelnen genau an?

Monika Schwertner: Sinnan bedeutet ‚auf dem Weg sein‘, ‚sich auf den Weg machen‘, „gehen“, aber auch ‚sorgen für‘. Es ist ein althochdeutsches Wort. Der ambulante Hospizdienst sinnan besteht seit 1998 und feierte in diesem Jahr sein 25-jähriges Jubiläum. Hospizliche Begleitung hat das Ziel, schwerstkranke und sterbende Menschen sowie ihre Zugehörigen bis zuletzt zu unterstützen und ihnen zu ermöglichen, dort würdevoll zu versterben, wo sie es wünschen. Sei es im häuslichen Umfeld, in Altenpflegeeinrichtungen oder in Krankenhäusern. Wir bieten Beistand in der letzten Lebenszeit, die durch schwere Krankheit, Schmerzen und Schwäche geprägt sein kann. Wir beraten und ehrenamtliche Hospizmitarbeiter*innen schenken ihre Zeit. Unser Angebot ist kostenfrei und benötigt keine ärztliche Verordnung. Alle ambulanten Hospizdienste werden durch die Krankenkassen gefördert und finanzieren sich mit Hilfe von Spenden. Derzeit sind in unserem Hospizdienst sinnan drei hauptamtliche Koordinatorinnen und 57 befähigte ehrenamtliche Mitarbeiter*innen tätig. Monatliche Gruppentreffen und regelmäßige Fortbildungen unterstützen sie in ihren Begleitungen. Wir sind zuständig für den Stadtbezirk Lindenthal, was die Stadtteile Braunsfeld, Junkersdorf, Klettenberg, Lindenthal, Lövenich, Müngersdorf, Sülz, Weiden und Widdersdorf einschließt. Im Bereich der Trauer beraten und begleiten wir stadtweit. Darüber hinaus ist es uns ein Anliegen zur Enttabuisierung von Sterben, Tod und Trauer beizutragen und das Thema im Rahmen von Öffentlichkeitsarbeit in die gesellschaftliche Mitte zu bringen.

YK: Wem steht die Beratung und Begleitung als kostenloses Angebot zur Verfügung?

MS: Wir begleiten nur Erwachsene und ihre Zugehörigen, die oft sehr belastet sind und Unterstützung benötigen. Für schwerstkranke und sterbende Minderjährige und ihre Familien sind spezielle ambulante Kinder- und Jugendhospizdienste zuständig. Unsere Beratung und Begleitung kann von jedem erwachsenen Menschen mit begrenzter Lebenserwartung in Anspruch genommen werden, unabhängig von Religion, Alter, Herkunft, Lebensweise oder Weltanschauung. In Köln sind alle ambulanten Hospizdienste in der Hospiz und Palliativ Arbeitsgemeinschaft (HAK) zusammengeschlossen und Teil des hospizlichen Versorgungsnetzes der Stadt.

YK: Wie genau gestaltet sich die Hospizarbeit?

MS: Auf Anfrage nimmt eine Koordinatorin persönlich Kontakt zum schwerstkranken Menschen und seinen Zugehörigen auf. Nach Beratung und Kenntnis der Situation wird eine ehrenamtliche Hospizmitarbeiter*in zur regelmäßigen Begleitung eingesetzt. Als ambulanter Hospizdienst sind wir für die psycho-soziale Unterstützung zuständig und unterliegen der Schweigepflicht. Wir schenken Zeit, führen Gespräche, hören zu, tragen Hoffnungen und Ängste mit, erfüllen kleine Wünsche. Wir unterstützen die Zugehörigen, die oft sehr belastet sind, ermöglichen ihnen Pausen, wo sie Kraft schöpfen können in dieser besonderen Zeit des schmerzvollen endgültigen Abschiednehmens. Wir arbeiten intensiv mit palliativ-medizinischen Diensten, Pflegediensten, Seelsorge sowie Mitarbeiter*innen der Einrichtungen zusammen, um jedem Menschen seinen eigenen, individuellen Lebensweg in den Tod würdevoll und selbstbestimmt zu ermöglichen. Das gemeinsame Ziel ist die Linderung von Leid, sowie die Erhaltung und Verbesserung von Lebensqualität. Die verschiedenen Blickwinkel der Dienste sind Grundlage jeder hospizlichen Begleitung und ermöglichen den sterbenden Menschen mit seinen körperlichen, seelischen, spirituellen sowie psycho-sozialen Bedürfnissen wahrzunehmen und entsprechend zu unterstützen. Über körperliche Schmerzen hinaus können gerade in den letzten Lebenswochen seelische, spirituelle und psycho-soziale Schmerzen zu starker Unruhe führen, die begleitet und gelindert werden können. Ergänzend erwähnen möchte ich an dieser Stelle auch noch die Palliativ-Station des St. Hildegardis Krankenhauses, dafür zuständig ist unsere Kollegin Melanie Hofer. Die Patient*innen der Station werden viermal wöchentlich von einem Team unserer ehrenamtlichen Hospizmitarbeiter*innen begleitet.

YK: Also möglichst in Frieden sterben und bis zuletzt leben.

MS: So sollte es sein. Ich glaube, das wünschen wir uns alle.

YK: Ich möchte auf Ihr Kursangebot ‚Letzte Hilfe‘ eingehen und bitte Sie da um mehr Informationen. ‚Am Ende wissen, wie es geht‘ hört sich gut an.

MS: Der Tod ist für viele Menschen noch immer ein Tabuthema. Oft herrschen Rat- und vor allem Hilflosigkeit, wenn Angehörige, Zugehörige und Freunde sterben. Der ‚Letzte Hilfe‘-Kurs will in einem vierstündigen Angebot ermutigen, über das Lebensende zu sprechen und vermittelt Basiswissen, Orientierung sowie einfache Handgriffe. Das Konzept wurde von dem Palliativmediziner Georg Bollig entwickelt und die Kurse werden weltweit seit 2014 durchgeführt. Unsere Referent*innen sind ehrenamtliche Hospizmitarbeiter*innen , die sich zur Kursleitung „Letzte Hilfe“ qualifiziert haben. Die Gruppengröße ist begrenzt, da Austausch und Wissensvermittlung möglich sein sollen. Es werden auch regionale Versorgungssysteme angesprochen, Informationen zur Schmerztherapie und palliativer Versorgung wie SAPV Teams (SAPV = spezielle ambulante palliative Versorgung) sowie die weitere Vermittlung von ergänzenden Hilfs- und Fachdiensten. Zum Kursabschluss erhält jede Teilnehmer*in ein Handout und eine Broschüre zum Nachlesen der Kursinhalte. Bisher wurden 13 Kurse mit sehr positiver Resonanz durchgeführt und ermutigte die Teilnehmer*innen auch, sich dem eigenen Sterben gegenüber zu öffnen. Ohnmacht und Ängste überwinden schafft mehr Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen, denn Zuwendung ist das, was wir alle im Sterben am meisten brauchen.

YK: Haben Sie vielleicht noch einen besonderen Tipp für unsere LeserInnen, die sich erstmalig oder bisher eher wenig mit dem Thema Sterben und Sterbebegleitung befasst haben?

MS: Ja, mutig Kontakt zu unserem Hospizdienst sinnan aufnehmen. Viele Menschen warten zu lange, haben eine Scheu, da sie mit dem Wort Hospiz den nahen Tod verbinden. Wir sind Lebensbegleiter*innen, für eine besondere Zeit des Abschieds, wo es viele traurige und viele schöne Augenblicke gibt. Wir führen Begleitungen, die manchmal ein Jahr dauern, ein paar Monate oder Wochen, aber auch nur die letzten Tage. Wir unterstützen und tragen mit, beraten und vermitteln weitere Dienste. Es wird ein hospizliches Netz gesponnen und die Menschen sind nicht mehr allein in dieser belastenden Situation – wenn sie sich frühzeitig melden.

YK: Vielen Dank an dieser Stelle, im Hinblick auf unseren Zeitrahmen möchte ich nun die Brücke zur Trauerbegleitung bauen, und mich an Sie, Frau Winterling zu wenden, um über ihre Tätigkeit zu berichten. Welche Trauer- und Unterstützungsangebote werden derzeit für wen konkret angeboten?

Sandra Winterling: Im Bereich der Trauer beraten und begleiten wir stadtweit Erwachsene, und auch inzwischen über die Stadtgrenzen hinaus. Es gibt zahlreiche Angebote vor Ort. Das Café Horizont bietet in einem geschützten Rahmen die Begegnung mit anderen Menschen an, die einen nahestehenden Menschen verloren haben und sich darüber austauschen möchten. Hier gibt es eine begrenzte Teilnehmerzahl von ca. 15. Das ist jeden 3. Samstag im Monat. Gemeinsam ins Gespräch kommen und sich gegenseitig ermutigen, seinen Gefühlen zu vertrauen und diese zu zulassen, ist das Ziel des niederschwelligen Angebots, welches mindestens zwei ehrenamtliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen moderieren, indem sie Impulse geben und einen Blick auf die teilnehmenden Trauernden haben.

Seit September 2022 gibt es auch den TrauerTreff U45, eine Trauergruppe für junge Erwachsene ab 27 bis 45 Jahren. Da kann aber auch schon mal ein 50-Jähriger dabei sein, der dazu passt. Auch hier geht es um gegenseitiges Unterstützen, Dasein, Impulse geben für den Umgang mit der neuen Lebenssituation. Das ist jeden 3. Dienstag im Monat in unseren Räumlichkeiten im St. Hildegardis Krankenhaus in der Bachemer Strasse in Lindenthal. Natürlich gibt es auch Einzelbegleitungen für Trauernde. Der Trauernde kann den Rahmen vorgeben. Für 5 bis 10 Termine wird die Einzelbegleitung angeboten, ebenfalls kostenfrei.

Aber es gibt auch andere Begleitungen, so zum Beispiel die Trauer-Wanderung. ‚Die Seele geht zu Fuß.‘ Ein Angebot für Menschen, die sich in ihrer Trauer auf den Weg machen möchten. Dazu bitte verbindlich anmelden, damit ein Wanderführer die Strecke begleiten kann und zum Abschluss der Trauerwanderung zu Kaffee und Kuchen eingekehrt werden kann. Hier ist der Treffpunkt der Parkplatz des St. Hildegardis Krankenhauses.

Und wir haben ab September auch den Kursstart ‚Blickwinkel Kunst‘ – ein Angebot für Trauernde, wo in einer kleinen Gruppe der Trauer künstlerisch Ausdruck verliehen werden kann. Hier fällt ein Kostenbeitrag für Material an. Weiterhin gibt es das Via-Projekt online (malteser.de/via), das ist coronabedingt als Online-Beratungsplattform entstanden. Von der regelmäßigen telefonischen Beratung und Information rund um das Thema Trauer bis hin zur Beratung vor Ort, die Gruppenangebote oder auch Beratung per E-Mail bzw. online ist alles möglich.

YK: Übrigens wird die Trauerarbeit nicht durch die Krankenkassen finanziert, so dass sich der Malteser Hospizdienst immer über eine Spende für die Trauerarbeit freut. Was ich noch fragen wollte: Bei dem Thema geht es immer um eine ‚innere Haltung‘. Sie strahlen beide eine tiefe innere Gelassenheit und Ruhe sowie Humor aus. Wie sind Sie zu ihrer inneren Haltung gekommen, wenn ich das fragen darf.

MS: Ich bin seit 40 Jahren Sozialarbeiterin, war u.a. als Streetworkerin und in der Wohnungslosenhilfe tätig. Menschen in Grenzsituationen haben mich schon immer berührt und es war mir ein besonderes Anliegen, sie zu unterstützen. Die letzte Lebenszeit ist für uns alle eine große Herausforderung und ich bin dankbar, dass ich seit acht Jahren im Rahmen des ambulanten Hospizdienstes Menschen auf diesem persönlichen Weg kennenlernen und mit begleiten darf. In der Hospizarbeit lernen wir, die Unterschiedlichkeit von Menschen wertzuschätzen, verschiedene Blickwinkel als bereichernd zu erleben und fruchtbar zu machen. Diese Art Lebensschulung ist manchmal mühselig, aber letztendlich ein großes Geschenk und führt uns in eine menschlichere Welt. Bei aller Schwere ist Humor ein unverzichtbarer Schlüssel im hospizlichen Tun.

YK: Gab es bei Ihnen ein Schlüsselerlebnis, was sie beide auf den Weg gebracht hat, oder ist es die Summe aller Tätigkeiten, die dazu beiträgt, für einen Menschen das Bestmögliche zu geben, damit er im Sterben und in der Trauer die Zuwendung erhält, die er am meisten braucht?

SW: Bei mir war es damals der Verlust meiner Mutter. Ich fühlte mich in meiner Trauer alleine gelassen, es fehlte Unterstützung und ich musste mich da selbst durcharbeiten und durchkämpfen. Umso mehr empfinde ich nun Freude und große Dankbarkeit mit meiner Arbeit, sowohl den sterbenden Menschen und ihren An- und Zugehörigen als auch den trauernden Menschen zu unterstützen, Impulse für diesen Moment zu setzen. Ich war zuerst ehrenamtliche Sterbebegleiterin, dann Trauerbegleiterin, habe dann die Palliativ Care-Weiterbildung gemacht und lerne täglich bei meiner Arbeit dazu. Seit April 2022 bin ich dabei. Die Dankbarkeit, die man erfährt, macht mich jeden Tag zufrieden, das spürt auch meine Familie. Es gibt soviel zurück. Ich bin angekommen. Zeit schenken ist das größte Geschenk, was es gibt.

YK: Das war das schönste Schlusswort, wie es besser meiner Meinung nach nicht hätte sein könnte. Ich danke Ihnen von ganzem Herzen für das heutige Gespräch und möchte mich im Namen des ganzen Teams des Anne Frank und Paul Schneider Hauses bedanken, auch im Namen unserer LeserInnen der Clarenbach Aktuell.

Yvonne Krebs, Betreuungsassistentin im Anne Frank und Paul Schneider Haus