Template: single.php
Gesellschaft

Das einstige Leuchtturmprojekt für junge Pflege wird 30

20. Juli 2023

Ein Grund zum Feiern! Seit 30 Jahren bietet das Frida Kahlo Haus jüngeren pflegebedürftigen Menschen ein Zuhause. Nun feierte unsere Einrichtung mit einem großen Fest ihr Jubiläum. – ein Bericht von Bernd Schöneck

Kurz nach fünf Uhr nachmittags hatte die Party im Frida Kahlo Haus genau die richtige Betriebstemperatur erreicht. Nach dem offiziellen Teil des Festes, mit Begrüßung, Ansprachen, Redebeiträgen und kleinen Führungen, ging es allmählich zum gemütlichen Teil über: Nahezu alle der Bewohnerinnen und Bewohner feierten bei der Gartenparty bei frühsommerlich-schönem Wetter im Innenhof der Einrichtung mit, plus Angehörige, aktuelle und ehemalige Beschäftigte, Pressevertreter und weitere Gäste.

Die riesengroße Geburtstags-Buttercremetorte hatte die Festgemeinschaft fast komplett verputzt; nun brachte sich das Team des Hauses am Grill- und Salatbuffet in Stellung. Sängerin Melanie Heizmann coverte auf der Bühne Songs von Kylie Minogue, Madonna und weiteren internationalen Stars, der Pianist Markus Schinkel brachte Klassiker und moderne Stücke in ein neues Gewand. Einige tanzten und sangen mit.

Seit 30 Jahren auf Junge Pflege spezialisiert
„Wir sind eines der ganz wenigen Heime speziell für Jüngere“, erläutert Heilerziehungspflegerin Steffi Schlag. „Unsere Bewohnerinnen und Bewohner kommen von überall her, weil solche Einrichtungen so selten sind. Die Möglichkeiten in Köln für jüngere Menschen mit Behinderung sind gut – von der Barrierefreiheit, den Freizeitangeboten über Weiterbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten bis zur guten Anbindung an die Uniklinik.“ Das 1993 eröffnete Frida Kahlo Haus ist spezialisiert auf die sogenannte „Junge Pflege“. Bei der Aufnahme in die Einrichtung sind die Bewohner zwischen 18 und 50 Jahre alt. „Natürlich können sie dann so lange bei uns wohnen bleiben, wie sie wollen – bis zum Lebensende, oder bis sie selber wieder ausziehen, was selten, aber doch manchmal vorkommt.“

Beim Thema Stationäre Pflege dürften die meisten Menschen an Senioren denken – hochbetagte, oftmals bettlägerige und/oder an Demenz erkrankte Personen. Tatsächlich sind laut Angaben des Malteser-Verbandes, 71 Prozent der 2,9 Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland 75 Jahre oder älter. Im Gegenzug sind jedoch immerhin knapp 17 Prozent, also rund 490.000 Menschen, unter 65 – darunter befinden sich natürlich Kinder und Jugendliche sowie junge Erwachsene. Schwere Unfälle, ein Schlaganfall oder neurologische Leiden wie Multiple Sklerose (MS), Chorea Huntington und ALS sind in diesen Altersgruppen typische Ursachen für die Pflegebedürftigkeit. Aber auch Betroffene der körperlichen Auswirkungen von HIV und Aids – die etwa schwere, durch die Immunschwäche hervorgerufene Krankheiten durchgemacht haben – finden sich unter der Bewohnerschaft.

Passend dazu ist die Einrichtung auf Wunsch der Bewohnerinnen und Bewohner nach Frida Kahlo benannt, der weltberühmten mexikanischen Malerin, die von klein auf an Kinderlähmung litt und später noch einen schweren Unfall überlebte. In ihrem Werk setzte sie sich mit Schmerz und Behinderung auseinander und entwickelte darüber eine ungeheure seelische Stärke und Kraft.

Pflegeplätze speziell für Jüngere sind Mangelware
Speziell auf Jüngere zugeschnittene stationäre Pflegeplätze sind bislang die große Ausnahme. Man muss sie regelrecht mit der Lupe suchen: Neben dem Frida Kahlo Haus als die bei weitem größte Einrichtung gibt es in Köln noch zwei Pflegeheime der Alexianer-Stiftung mit 48 und 32 Plätzen, die sich speziell an jüngere Menschen mit Pflegebedarf richten, beide im rechtsrheinischen Stadtbezirk Porz gelegen.

In der erweiterten Region gibt es ein Pflegeheim des privaten Trägers Korian in der Bonner Nordstadt, das über 19 Plätze für Junge Pflege in einem separaten Wohnbereich verfügt, sowie eines der Alloheim SE in Monheim zwischen Köln und Düsseldorf: Neben den Seniorenplätzen des Hauses gibt es dort 32 Zimmer für Jüngere, ebenfalls in einem separaten Wohnbereich.

Weil die Kapazitäten so knapp sind, müssen Jüngere immer noch oft genug mit einem Platz im „normalen“ Seniorenheim vorliebnehmen – mit Mitbewohnern, die überhaupt nicht ihrer Altersklasse und Lebenswelt entsprechen und meist völlig andere Hobbys, Interessen und Essgewohnheiten sowie einen anderen Tagesrhythmus pflegen. „Hier gibt es viele Bewohner, mit denen man sich richtig gut unterhalten kann“, beschreibt Pflegedienstleiter Patrick Schwarze einen der Unterschiede zur Arbeit im Seniorenheim. „Die viel eher eigene Wünsche äußern, Kritik üben und sagen, was sie wollen.“

Teils kommen die Mitglieder seines Teams aus der Altenpflege, teils aus der Krankenpflege. „Sich auf jüngere Menschen einzulassen ist für viele Altenpflegekräfte zunächst eine Umstellung.“ Bei den Aufnahmen stünde die körperliche Behinderung im Vordergrund, bei einigen Bewohnern kämen jedoch auch geistige oder seelische Einschränkungen hinzu. Deshalb sei eine psychosoziale Begleitung ungeheuer wichtig, ergänzt Einrichtungsleiter Thomas Stettien – und das Gefühl, nicht alleine zu sein. „Acht unserer Bewohner leben übrigens von Anfang an hier, seit 30 Jahren.“

Das relativ junge Alter der Bewohnerschaft wirkt sich natürlich auch auf das Programm und die Aktivitäten des Hauses aus. Statt Volksmusik- oder Bingo-Abenden, oder einfach Berieselung vor dem Fernseher, gibt es Kreativkurse, Kochrunden, Sport und Spiel, Filmabende, Lesungen, Debattenrunden und Ausflüge ins Kino, Theater oder Museum, sowie zu Festen und Feiern im übrigen Kölner Stadtgebiet.

„Die Hilfsbereitschaft und das Verständnis der Bewohner untereinander, die große gelebte Akzeptanz und Toleranz, ist enorm“, lobt  Thomas Stettien. Selbstverständlich besucht eine Gruppe aus dem Haus jedes Jahr den Kölner CSD – und auch auf dem jährlichen integrativen, von LGBT-Sportlern initiierten Fußballturnier „Come-Together-Cup“ ist man zu Gast.