Template: single.php
Clarenbach Aktuell

Kul-Töurchen zum Museum Schnütgen

17. Januar 2020

Der Museumsdienst Köln und (de)mentia+art luden kulturbegeisterte Seniorinnen und Senioren der Braunsfelder Häuser Paul Schneider und Anne Frank ein, die kostbare Sammlung mittelalterlicher Kunstwerke zu besuchen

Ein Esel in der Kirche? Gewitzte Köpfe trauen dem Grautier vielleicht noch einen Ausflug aufs Eis zu. Und was tierische Geschichten angeht, so sind unsere lebenserfahrenen Leserinnen und Leser ja einige Kölner Spezialitäten gewohnt:

Hier galoppierten z. B. im Mittelalter Pferde treppauf und guckten aus dem Fenster; oder in den 50er-Jahren prostete Silvester ein gewisser ‚Petermann‘ mit Frack, Zylinder & Sektglas aus dem Affenhaus ins Fernsehen. Heutzutage hört man von Schwänen, die gerne am Aachener Weiher auf Hauptverkehrsstraßen herumsitzen; ferner gibt‘s Kuckucksvögel, die auf Möbeln kleben.

Aber was will ausgerechnet ein Esel in einer der zwölf romanischen Kirchen Kölns? Ältere Kölner Kunstfreunde erinnern sich bestimmt noch, wie die über tausend Jahre alte Basilika St. Cäcilien in den 50er-Jahren zum Museum umgewidmet wurde. Im ehrwürdigen Kirchenbau sind seitdem über 10.000 kostbarste, sakrale Kunstwerke aus dem Mittelalter ausgestellt, die der katholische Theologe und Kölner Domherr Alexander Schnütgen in vierzig Jahren zusammentrug.

Über die beeindruckende Sammlung und Schnütgen selbst (1843–1918), der schon zu Lebzeiten ein angesehener Kunst-Experte und später Ehrenbürger der Stadt Köln war, berichteten wir bereits nach einem Ausflug im Juni-Magazin ClarenbachAktuell.

Auf eine besonders nette Einladung des Museumsdienstes Köln und (de)mentia+art durften die kulturbegeisterten Seniorinnen und Senioren der Braunsfelder Häuser Paul Schneider/Anne Frank das Museum Schnütgen nochmals im September

besuchen: Neu angeboten werden jetzt zwei Gruppen-Führungen, bei denen gerade ältere und von Demenz betroffene Menschen wie in früheren Zeiten Kunst & Kultur genießen können. Und hier versprach dann „Ein Esel in der Kirche“ die Besichtigung von ausgewählten Kunstschätzen in der romanischen Basilika St. Cäcilien!

Nach kurzer Anreise zum Neumarkt per Taxi und Straßenbahn schmeckte unserer „Kul-Töurchen“-Truppe wenig später der Willkommens-Kaffee plus Kuchen im Bistro. Dort im gemeinsamen Foyer der Museen Schnütgen und Rautenstrauch-Joest bot sich ein reizvoller Blick-Kontrast: Drinnen der schiffgroße indonesische Reisspeicher, draußen ein lauschiges Plätzchen mit alten Bäumen die Doppelkirchenanlage St. Cäcilien und St. Peter. Zwischenzeitlich begrüßte bereits Kulturbegleiter Jochen Schmauck-Langer unsere acht Braunsfelder Damen und Herren und lud alle samt vierköpfigem ‚Escort-Service‘ zu einem kleinen Außen-Spaziergang ein: Wir sollten ja entsprechend würdig über den sonnigen Klostergarten durch das trutzige Nordportal in die Kirche einziehen.

Vor 850 Jahren schuf man hier zu Ehren der Heiligen Cäcilie über den riesigen Türen einen Kalksteinbogen (Tympanon) – 1,20 Meter hoch und 2,30 Meter breit. Das romanische Original mit Schutzpatronin, Märtyrern und Engel befindet sich mittlerweile im Museum selbst; Steinmetze setzten eine originalgetreue Kopie an seine Stelle.

Dass uns in der Cäcilienkirche tatsächlich nur freundliche Museums-Mitarbeiter und nicht doch ein lebendiger Esel begrüßen würde, war den Braunsfeldern schnell klar: Meine üblichen, für die Gruppe vorab gestalteten Namensschilder zeigten nämlich einen sogenannten Prozessions-Esel mit einer Jesusfigur auf dem Rücken. Das Bild erinnerte so manchen Bewohner direkt an die hölzernen Spielzeugpferde auf Rädern aus der eigenen Kindheit.

Im imposanten Kirchen- und Museumsinneren wussten wir nicht, was uns mehr Respekt einflößte: Waren es die riesigen weißen Decken-Gewölbe, die sich über den Bögen der hohen Steinsäulen spannten? Waren es die wunderbar farbig gefassten Madonnen- und Heiligenfiguren? Waren es die jahrhundertealten geschnitzten Chorbänke für Mönche?

Wir bestaunten die Freskenmalerei nahe den Kuppeln oder den Lichtzauber durch alte Kirchenfenster. In den Vitrinen glänzten wertvollste liturgische Kirchen-Gerätschaften aus Gold und Silber mit Edelsteinen: Hostienschalen, Kelche, Weihrauchfässer oder Altarkreuze und Kerzenleuchter. Im Apsis-Halbrund ganz hinten dominierte golden ein Altaraufsatz und ließ feinste Handwerkskunst erkennen. Reliquienbüsten lächelten uns einladend an, Pietà-Darstellungen oder Kruzifixe mit Jesus rührten ans Herz.

Unser Museumsbegleiter erläuterte geschichtliche sowie kulturelle Hintergründe zu den einzelnen Kunst-Objekten und wies die sehr interessierten Seniorinnen und Senioren auf besondere Details handwerklicher Ausführung hin. Beim Chorgestühl mit aufwändiger Figuren-Schnitzerei lauschten wir den Ton-Aufnahmen von Choral-Gesängen: So konnten wir uns gut vorstellen, wie beeindruckend früher die Gebete oder Messen von Mönchen und Nonnen in den hohen Klostergewölben geklungen haben müssen.

Auf „den Esel in der Kirche“ waren wir natürlich besonders gespannt – und wurden auch nicht enttäuscht! Zuerst galt es, das Objekt einmal ganz genau von allen Seiten zu betrachten: Dabei zogen wir selbst in munterer Reihenfolge einmal um den Esel samt Reiter herum und veranstalteten so unsere eigene kleine Prozession. – Ob die kirchliche Antiquität wohl daher ihren Namen hatte?

Kulturbegleiter Schmauck-Langer wollte nämlich von uns wissen, ob wir erkannten, was vor uns stand. Das Reittier identifizierte Frau Lausberg lachend und ganz richtig aufgrund der Ohren als Esel – sie sind viel größer als die eines Pferdes!

Durch die segnende rechte Hand und den aufgerichteten Oberkörper des Reiters kamen ihre Mitbewohner während der Diskussion auf Jesus Christus, der gemäß der biblischen Geschichte an Palmsonntag wie ein einfacher Mann aus dem Volke auf dem Arbeitstier der armen Leute – einem Esel – in Jerusalem eingezogen war.

Die Braunsfelder Kunstinteressierten waren alle überrascht und beeindruckt, wie lebensecht und detailgetreu der hölzerne Jesus samt Bekleidung und Esel geschnitzt und bemalt ist. Herr Schmauck-Langer erklärte weiter, dass diese Figuren auf einem Bodenbrett mit Rädern vermutlich bis Ende des 18. Jahrhunderts in Feiertags-Prozessionen mitgeführt wurden. In frühen Jahrhunderten gingen bei den christlichen Umzügen noch echte Esel mit: Zu oft brachten sie aber durch ihr bekanntes störrisches Wesen die strenge Ordnung durcheinander und wurden daher später durch ‚duldsamere‘ hölzerne Figuren ersetzt.

In der Reformationszeit endeten viele der Prozessionsesel leider als Brennholz – welch ein Glück, dass Alexander Schnütgen damals den historischen Wert schätzte und diese Kunstwerke für uns heutige Museumsbesucher rettete!

Auf dem Weg unserer Führung zu den Sakralobjekten verwies unser Kulturbegleiter immer wieder auf Besonderheiten oder antwortete auf Fragen. Interessant, wie unseren Seniorinnen und Senioren ganz bestimmte, aber auch jedem Einzelnen unterschiedliche Merkmale ins Auge fielen – wie beispielsweise bei einer „Anna selbdritt“ (altes Wort für ‚als Teil einer Dreiergruppe‘ oder ‚zu dritt‘).

Die Andachts-Figurengruppe aus farbig gefasstem Holz ist mehrere hundert Jahre alt und zeigt die heilige Anna mit ihrer Tochter Maria und dem Jesuskind. Bei zwei farbig gefassten Lindenholz-Engeln – sie sind circa 1,30 Meter hoch und wurden um 1530 in Köln geschnitzt – gab es zu den Erklärungen um deren Spruchbänder und den Gesprächen über Schutzengel ebenfalls eine musikalische Begleitung bei der Führung. Den Liedtext von „Bleibt, ihr Engel, bleibt bei mir!“ mit einer (Engels-)Feder erhielten unsere Damen und Herren als kleine Erinnerung an diesen schönen Tag von mir dazu.

Unser letztes Betrachtungs-Objekt war eine Darstellung der „Trauernden Maria“. Diese Statue ist circa 1,40 Meter hoch, aus Buchenholz und wurde um 1220 in den Ostalpen geschaffen. Hier fiel neben der sorgfältigen Ausführung der faltenreichen Bekleidung der geneigte, mit der Hand gestützte Kopf auf. Ebenso besonders das ausdrucksstarke Gesicht, welches die Verzweiflung einer Mutter um ihren toten Sohn ausdrückt. Wir alle konnten diese Gefühle gut nachempfinden, denn die meisten älteren Menschen kennen das Auf und Ab des Lebens aus eigener Erfahrung. Ein versöhnlicher und schöner musikalischer Abschluss: Hildegard Knef sang wehmütig, aber voller Dankbarkeit: „Für mich soll’s rote Rosen regnen, mir sollten sämtliche Wunder begegnen.“

Tja – das Wunder eines echten Esels in der Kirche ist uns glücklicherweise erspart geblieben, aber Hildegard Knef hat unserer „Kul-Töurchen“-Gruppe bestimmt vom Himmel aus als Engel zugesehen und bei der Ton-Aufnahme leise mitgesungen!

Wir freuen uns jedenfalls auf die vielen weiteren Sammlungs-Schätze des berühmten Dom-Kapitulars Alexander Schnütgen, die wir bestimmt in einer weiteren Führung genauer kennen lernen werden! Soviel verraten wir den Leserinnen und Lesern gerne: Am Museums-KölnTag hat kürzlich eine kleine kunstinteressierte Truppe aus dem Paul Schneider/Anne Frank Haus mit Angehörigen und Begleitern dort in „Seifenblasen & Haute Couture“ reingeschnuppert … Gabriele Sauer, Ehrenamtlerin in Braunsfeld